christlicher Expressionismus: Sieger Köder

Das zweite Gebot lautet "Du sollst dir kein Bildnis machen!"

Während die reformierte Tradition des Protestantismus - ähnlich wie das Judentum und der Islam - dieses Gebot ganz ernst und wörtlich nimmt, hat die lutherische Tradition ein positives Verhältnis zum Bild. Das geht direkt auf Martin Luther zurück. Er argumentiert, dass Gott in Jesus Christus ganz Mensch und damit ganz anschaulich wurde, sozusagen das perfekte Bild von ihm. Darum dürfen, darum sollen auch Bilder gemacht werden. Er knüpft dabei gleichfalls an die römisch-katholische Tradition an, die bekannterweise sehr viele Bilder in ihrem Glaubensleben kennt. Beispielgebend sind hier vor allem die Traditionen, die die Kirchen mit Bildern ausstatteten für alle, die damals nicht lesen und schreiben konnten. Bilder galten als die Bibel der Armen.

Luther geht sogar so weit, dass er das zweite Gebot aus seinem "Kleinen Katechismus" streicht. Damit er wieder auf die einprägsame Zahl 10 kommt, verdoppelt er kurzerhand das letzte Gebot und teilt den Inhalt auf das 9. und 10. Gebot auf.

Diesen bilderfreundlichen und zugleich "kerygmatischen" Impuls nimmt verstärkt der christliche Expressionismus auf.

Kerygma: die (christliche) Botschaft als herausfordernder Anruf

Er legt Wert auf herausfordernde Kommunikation. Das Bild hat also eine ähnliche Funktion wie das Wort bzw. die Predigt. Es gibt etwas zum Mitteilen und Verstehen, das die menschliche Existenz zutiefst betrifft ... und verändern will.

Der christliche Ausdruck der Gegenwart ist je nach Gefühlslage zwiegespalten:

- Auf der einen Seite äußert sich Glaube eher romantisch und gefällig. Manchmal erscheint er auch kitschig in der Ausdrucksform. Hier dominiert die Botschaft der Harmonie, weil Gott die Liebe, das Gute und das Schöne ist, das dargestellt werden will. Diese Harmonie-Botschaft wird oft mit naturmystischen Motiven kombiniert. Die fast allgegenwärtigen Sonnenuntergangs- und Blumenmotive stehen hier in schier unendlicher Variation neben diversen niedlichen Tierbildern mit "Kindchenschema" bereit.

- Will aber das "fromme Bewusstsein" den (für uns) leidenden Christus in der Tradition des Gottesknechtes und des Schmerzensmannes betonen, kommen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vermehrt expressionistische und widerständige Ausdrucksformen zum Zug. Dies ist besonders bei Walter Habdank und Siegfried Rischar zu beobachten. Diese Haltung spiegelt sich ebenfalls im übermächtigen Christus in der Kreuzkirche, der wiederum sehr anregend kontrastiert wird von den beiden Engeln an seinen Seiten.

Auch der Christus als Weltenherrscher in der Oberstdorfer Christuskirche könnte in diesen expressionistischen Kontext gestellt werden, weil er ästhetisch die Distanz betont und eine eindeutige Botschaft hat: Christus ist der kosmische Herr.

Der katholische Theologe und Künstler Sieger Köder nimmt eher eine Mittelposition ein. Zum einen ist er expressionistisch im Ausdruck aber zugleich schimmert bei ihm immer auch das Vollkommene, das Gelungene und das Harmonische hindurch.

Wir zeigen in der Kreuzkirche ab Juni 2016 einen Kreuzweg-Zyklus von ihm.

Wie spricht er Sie an? Nehmen Sie das "Kerygma" wahr? Wenn ja, wie?

Wäre für Sie die abstrakte christliche Kunst eine echte Alternative zwischen Kitsch und Kerygma?

Herzlich, Ihr Frank Witzel

siehe auch: www.siegerköder.de